25.03.2015 / komba gewerkschaft

komba Handlungsempfehlungen:

Serie Demografieorientierte Personalentwicklung: Nachwuchskräfte sichern, Personal langfristig binden, Attraktivität steigern

Der öffentliche Dienst ist in den letzten Jahren besonders für den Nachwuchs immer unattraktiver geworden. Bedingt durch die politischen Sparzwänge wird qualifiziert ausgebildetes Personal vielfach nicht übernommen. Die Kommune verliert es sodann im Konkurrenzkampf mit der Privatwirtschaft. So sind bereits heute zahlreiche Bereiche von Nachwuchsmangel bedroht. Einige Städte haben zum Beispiel massive Schwierigkeiten, Ingenieure und Meister oder Spezialkräfte im IT-Bereich zu den Bedingungen des TVöD zu gewinnen.

Eine frühzeitige Förderung von Nachwuchskräften durch eine qualifizierte Ausbildung, möglicherweise auch durch eine Ausbildung über den Bedarf und nachfolgender Übernahme in den Behörden könnte dieser negativen Entwicklung entgegenwirken. Nach erfolgter Übernahme muss jedoch auch weiterhin durch attraktive Arbeitsbedingungen sichergestellt werden, dass eine langfristige Bindung der Beschäftigten möglich wird. Hierfür sind zwar auch, aber längst nicht nur, die Einkommensbedingungen entscheidend. Vermehrt spielen auch Aspekte wie flexible Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodelle sowie auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine entscheidende Rolle. Ebenso von Bedeutung für jüngere Beschäftigte sind die Entwicklungsmöglichkeiten, die der öffentliche Dienst bieten kann, beispielsweise Programme zur Auswahl und Entwicklung von Führungskräften.

Insgesamt gilt es für die Kommunen jetzt zu handeln und das Image sowie die Attraktivität der Kommunalverwaltung als Arbeitgeberin durch ein aktive Personalmarketing und eine gezielte Außendarstellung und -werbung zu steigern. Hierbei sind insbesondere auch eine zeitgemäße Präsentation in der Öffentlichkeit über moderne Kommunikationswege, durch Informationsveranstaltungen über und in kommunalen Einrichtungen, im Rahmen von Ausbildungsbörsen und durch öffentlichkeitswirksame Nachwuchs-Kampagnen notwendig.

Die Grundforderungen der komba gewerkschaft für eine Steigerung der Attraktivität bleiben dabei nach wie vor:

  • moderne und attraktive Arbeitsplätze und Aufgabengebiete
  • hinreichend attraktive Ausbildungsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Ausbildungsentgelte
  • bedarfsgerechte Zahl der Ausbildungsplätze, die der Überalterung, der Unterbesetzung und dem daraus resultierenden Stellenbesetzungsbedarf der kommenden Jahre Rechnung trägt
  • Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach der Ausbildung bei angemessener Bezahlung
  • ein leistungsgerechtes und konkurrenzfähiges Bezahlungsniveau mit angemessenen Aufstiegschancen
  • attraktive und berufsbezogene Fortbildungsmöglichkeiten
  • aktive Maßnahmen zur Steigerung des Ansehens in der Gesellschaft

Daniel Schlichting, Leiter der Zentralen Beschaffungsstelle der Universität zu Lübeck und 2. Bundesvorsitzender der komba jugend, im Interview zum Thema Nachwuchsmangel im öffentlichen Dienst:

Es bekannt, dass in den nächsten 15 Jahren rund 35 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Rente oder Pension gehen werden und dabei der Bestand an qualifizierten Nachwuchskräften, um die entstehenden Lücken zu schließen, viel zu gering ist. Um sich den Herausforderungen des demographischen Wandels zu stellen, ist es zunächst unabdingbar, zu analysieren, in welcher Ausgangssituation sich viele kommunale Arbeitgeber derzeit befinden. Wie beurteilen Sie die Lage?


Daniel Schlichting:"Steigende Gewinnerwartungen, glänzende Fassaden, moderne Ausstattungen, druckfrische Hochglanzbroschüren – so oder so ähnlich zeigen sich viele privatwirtschaftliche Unternehmen der Öffentlichkeit. Und man sollte meinen, dass sich diese Darstellung auch auf den öffentlichen Dienst übertragen lassen? Weit gefehlt! Dieser hink deutlich hinterher: unmoderne Gebäude und Technik, überschuldete Haushalte, Schuldenbremse, Personalabbau, überalterte Mitarbeiter und Wiederbesetzungssperren sind dabei Tatsachen, die in vielen deutschen Rathäusern vorherrschen. Da bleibt kaum oder gar kein Spielraum, allein schon die Außendarstellung zu optimieren. Die Ausbildungsprogramme im öffentlichen Dienst wurden auf ein Minimum reduziert. Ein Werben um junge Menschen in Schulen und Universitäten findet gar nicht beziehungsweise bei weitem nicht so professionell wie in der Privatwirtschaft statt. Gute Voraussetzungen für die Gewinnung qualifizierter und motivierter Mitarbeiter schauen anders aus."

Wie könnte es der öffentliche Dienst dennoch schaffen, junge und motivierte Kräfte trotz dieser Probleme für sich zu begeistern?
Daniel Schlichting: "Grundvoraussetzung ist die Gewährleistung einer fairen und angemessenen Bezahlung der Nachwuchskräfte bereits während der Ausbildung und des Studiums. Ein gutes Gehalt ist oft, aber nicht immer entscheidend. Umso wichtiger wird es sein, neben der Bezahlung auch an der Außendarstellung zu arbeiten – daran, wie sich die Kommunen zukünftig verkaufen. Professionelle Stellenausschreibungen, ein breit gefächertes und zielgruppengerechtes Scouting in Schulen, Universitäten und auf Ausbildungsmessen und ein wesentlich stärkeres Herausheben der Vorteile einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst müssen wesentlich mehr in den Vordergrund gerückt werden, als derzeit. Denn: Kaum ein Unternehmen in der Privatwirtschaft hat ein so breit gestreutes und abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld wie Kommunalverwaltungen und gemeindlichen Einrichtungen. Genau diese Vorteile, die einen Arbeitsplatz attraktiv machen, gilt es, jungen Menschen mit zu teilen. Der Kampf um die fähigsten Köpfe hat längst begonnen: Durch die Sparpolitik der vergangenen Jahre und den demografische Wandel sind wir gezwungen, nicht nur den aktuellen Bedarf mit Auszubildenden und Anwärtern zu decken, sondern die riesige Lücken zu füllen."

Nehmen wir an, wir erreichen mit einem aktiven Personalmarketing ausreichend junge und motivierte Menschen und begeistern sie für eine Ausbildung bei ihrer Stadt oder Gemeinde, wie halten wir die Nachwuchskräfte dann im öffentlichen Dienst?
Daniel Schlichting: "Die entscheidenden Stichworte lauten dabei „Selbstverwirklichung“ und „Entwicklungsmöglichkeiten“. Bieten Arbeitgeber ein Klima in dem die Nachwuchskräfte sowohl fachlich als auch sozial gefördert werden und die Möglichkeit erhalten, sich bei adäquaten Stellen selbst zu verwirklichen, erreicht man Mitarbeiterzufriedenheit und damit eine langfristige Bindung an das Unternehmen. Hierfür ist es zwingend erforderlich, fundierte und auf den Einzelnen abgestimmte Personalentwicklungskonzepte mit flexiblen Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodellen, einem individuellen Fortbildungskonzept und der Möglichkeit auf Einflussnahme durch die Nachwuchskraft zu installieren. Dem Mitarbeiter muss vermittelt werden, dass sein Arbeitgeber gewillt ist, ihn in seiner Organisation halten zu wollen und zu fördern. Ein Optimum, das jedoch nicht erreicht wird, wenn die Arbeitsverdichtung in den Kommunalverwaltungen weiter zunimmt. Arbeit muss erfüllen und nicht krank machen."

Broschüre "Demografieorientierte Personalentwicklung" der komba gewerkschaft als pdf-Dokument zum Downloaden

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