22.04.2016 / komba gewerkschaft nrw

Schwerbehindertenrecht: Info 4/2016

Bild : © Claudia Hautumm / pixelio.de
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Einladung schwerbehinderter Menschen zum Vorstellungsgespräch

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in der Entscheidung vom 09.09.2015 – 3 Sa 36/15 – rechtskräftig festgestellt, dass Eignungstests regelmäßig Bestandteil des Auswahlverfahrens sind. Einstellungsbewerber, die dem Anforderungsprofil entsprechen, werden vom öffentlichen Arbeitgeber benachteiligt, wenn sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil sie einen Eignungstest nicht bestanden haben.

Ausdrücklich hat das LAG Schleswig-Holstein hervorgehoben, dass die nach § 82 Satz 1 SGB IX bestehende Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, schwerbehinderte Menschen zum Vorstellungsgespräch einzuladen, auch dann besteht, wenn ein schwerbehinderter Bewerber, der das Anforderungsprofil einer Stelle erfüllt, einen im Rahmen des Auswahlverfahrens durchgeführten Eignungstest des Arbeitgebers nicht besteht.

Ergänzend hierzu führt das LAG aus, dass die Offensichtlichkeit der Nichteignung eines schwerbehinderten Bewerbers anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der Stelle und dem Leistungsprofil des Bewerbers zu ermitteln ist. Mit der Bestimmung des Anforderungsprofils legt der Arbeitgeber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Hierbei sind die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die außerfachlichen Kompetenzen ausdrücklich und eindeutig zu bezeichnen. Das Anforderungsprofil muss für die Bewerber transparent sein. Ist ein schwerbehinderter Bewerber nach § 82 Satz 3 SGB IX offensichtlich nicht geeignet, so muss sich dies aus den Bewerbungsunterlagen ergeben.

In dem zu entscheidenden Verfahren bewarb sich der Kläger um einen dualen Studienplatz zum Verwaltungsinformatiker. Die Beklagte setzte im Anforderungsprofil den Abschluss der Fachhochschulreife voraus. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass das Auswahlverfahren mit einem in zwei Teile gegliederten Eignungstest beginnt. Im weiteren Auswahlverfahren schlossen sich ein mündlicher und ein praktischer Teil an. Für den Eignungstest wurde dem Kläger ein gesonderter Raum zugewiesen und mehr Zeit eingeräumt. Gleichwohl bestand er den ersten Eignungstest nicht. Daraufhin erteilte ihm die Beklagte eine Absage.

Mit der Klage machte der Kläger gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG einen Entschädigungsanspruch in Höhe von drei Monatsgehältern geltend.

Zwar erfüllte der Kläger die formalen Voraussetzungen, nämlich den Abschluss der Fachhochschulreife, jedoch war das Bestehen des Eignungstests nicht Gegenstand des Anforderungsprofils, sondern des Auswahlverfahrens. Das LAG wies ausdrücklich darauf hin, dass der persönliche Eindruck des Bewerbers im Vorstellungsgespräch nicht durch einen Eignungstest ersetzt werden kann. Insofern war der Kläger nicht offensichtlich ungeeignet und daher zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Der Klage wurde stattgegeben.

Köln, 22.04.2016
V.i.S.d.P.: Manuela Winkler-Odenthal, Assessorin der komba gewerkschaft nrw, Norbertstr. 3, 50670 Köln

Schwerbehindertenrecht: Info 4/2016 "Einladung schwerbehinderter Menschen zum Vorstellungsgespräch" als pdf-Download

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